Die Städteporträts von Susanne Riegelnik

Sowohl die Malerei als auch die Fotografie arbeiten mit subjektiven Ausschnitten der Realität. So sind auch die Städteporträts von Susanne Riegelnik, obwohl sie auf maßstabgetreuen Kartenmaterialien basieren, eine Übersetzung der Wirklichkeit, geprägt durch das persönliches Erleben und die Assoziationen der Künstlerin mit der jeweiligen Stadt. Indem sie bereits mit einer schematisierten Darstellung komplexer Weg- und Straßennetze arbeitet, sind ihre Städteporträts in mehrfacher Hinsicht Konstrukte der Wirklichkeit, die kartografierte Darstellung wird durch die Malerei noch einen weiters Mal abstrahiert. Und dennoch sind die solcherart porträtierten Städte sofort erkennbar da ihre jeweilige charakteristische Form aus ihrer Geschichte heraus entstand als auch durch ihre jeweilige spezifische kulturelle Konstitution. In einer Verbindung von mehreren Realitätsebenen geht Susanne Riegelnik über die Darstellung der reinen formalen Strukturen des Stadtplans hinaus und versucht auf Basis einer objektivierten Grundlage über die Farbe und den Bildausschnitt Charakteristika der Stadtgeschichte darzustellen.
Die Recherchen über die Stadt als auch die konkrete Erfahrungsrealität der Künstlerin werden im malerischen Prozess zur individuellen Annäherung. Die Städteporträts prägen das Werk der Künstlerin bereits mehr als fünfzehn Jahre. Seit 1995 überarbeitet und verarbeitet sie Stadtpläne. Manche Städte beschäftigen sie über Jahre hinweg und werden wie u.a. Manhattan, Wien, Paris oder Prag einer stets neuen malerischen Interpretation unterzogen. Die Künstlerin entwickelte dafür ein spezielles Verfahren, das den eigentlichen Pinselduktus zurücknimmt. Der Farbauftrag erfolgt mittels eines zeitaufwendigen und materialintensiven Spritzverfahrens. Die Farben der Stadt sind kaum mehr der Realität entnommen und in manchen Bildern wird die Künstlichkeit der frei gewählten Farbe bewusst übersteigert, um die abstrahierte Struktur auf der Leinwand zu betonen. Die Lichtsituation, das individuelle Erleben der Stadt, wie etwa der Birkenblüte in den „Weißen Nächten von St. Petersburg“ sind oft die Basis der gewählten Farbpalette. Die Stimmungen, die solcherart im Bild transportiert werden, entrücken das Stadtporträt aus jeglicher Zeit und auch aus jeglicher Verortung. Sie sind aus der sie umgebenden Landschaft herausgelöst und schweben vor einem monochromen Hintergrund. Der Raum wird durch die vielfältigen Überschneidungen und Verschränkungen in mehrere Blickachsen gelenkt, in einer freien Übersetzung der tatsächlichen Volumina und Flächenrelationen. Von oben gesehen wirken die Städte weder hässlich noch schön und ihrer Inhalte entleert.
Die Großstädten immanenten Derivate, sozial-gesellschaftliche Spannungen, die Pluralität ihrer Bewohner ebenso wie das Nebeneinander von Geschichte und Modernität wird in den Bildern von Susanne Riegelnik nicht dargestellt und ist dennoch vorhanden, in dem sich dadurch auch die Stadt in ihrer architektonischen Struktur verändert. Neue Wohnviertel entstehen, Bezirke erhalten eine andere Form, neue Grünflächen werden geschaffen Shopping Malls oder ganze Stadtteile werden entwickelt. Solchart sind Susanne Riegelniks Städteporträts auch eine Reise durch die Zeit, in der sich diese Entwicklungen ablesen lassen. Sie schließen den pulsierenden Rhythmus einer Stadt ebenso mit ein, wie auch ihren Stillstand. So verweist die Künstlerin auch wenn sie die Darstellung des Menschen in ihren Bildern vehement ausschließt, gleichzeitig unmissverständlich auf seine Präsenz.


Mag. Silvie Aigner
Kuratorin und Autorin K08

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